Von Katzenzungen bin zur Kollektivschuld
Es wird gelesen, diskutiert und - gegessen
Inzwischen
hat Gerhard Durlachers Buch „Ertrinken“ Einzug in viele
Baden-Badener Haushalte genommen, es wird gerne verschenkt, ist schnell gelesen. Schulklassen beschäftigen sich mit
dem Stoff und transformieren ihn in kleine Theaterstücke,
Video-Schnipsel oder auch in Denkanstöße, wenn sie zum Beispiel auf dem Nach-Hause-Weg
über die vielen Stolpersteine im Stadtgebiet laufen, ältere
Mitbürger nehmen das Buch zum Anlass, ihre Erinnerungen an die
eigene Flucht aufzuschreiben – und auch private Lesekreise haben
das Buch in ihr Programm aufgenommen. Einer dieser kleinen, feinen Zirkel hat
sich vor kurzem geöffnet und mich eingeladen, als Gast dabeizusein.
Ich möchte hier keine Namen nennen, soll dieser Abend doch symbolhaft für die vielen Diskussionsrunden stehen, die sich zur
Zeit mit dem Thema der Judenverfolgung im Nazideutschland auseinandersetzen.
Montagabend,
19 Uhr. Die ersten Gäste trudeln ein, es wird begrüßt,
gelacht, ein kleiner Umtrunk kann nicht schaden, und der Tisch
ist liebevoll für eine gesellige Essensrunde eingedeckt. Man kennt sich;
es wird nicht nur gelesen in dieser Runde tatkräftiger Frauen, auch
wandern, Kurzreisen und gehobene Kulinarik stehen hoch im Kurs. Von
wegen gemütliches Kaffeekränzchen oder abgehobene Blaustrumpfrunde!
In jeder Handtasche steckt heute das Buch, das seit Anfang des Jahres zumindest in Baden-Baden
in aller Munde ist: „Ertrinken“ von Gerhard L. Durlacher.
„Ich
hätte mich ohne diese Runde nicht dran getraut“, verrät mir eine
der Teilnehmerinnen. Und sie habe bis zum Schluss gefürchtet, dass es
böse enden wird. Eine Erfahrung, mit der sie nicht alleine steht.
Andere
waren aus anderen Gründen skeptisch, manche konnten und mochten das
Thema eigentlich nicht mehr hören, zu oft hat man sich in der
Vergangenheit mit den schrecklichen Taten der Väter beschäftigen müssen.
Um
so mehr schwingt überall so etwas wie Erleichterung mit, dass
Durlacher es uns gewissenmaßen leicht macht, seinen Erinnerungen an den Beginn der
schweren Zeit zu folgen. Man erlebt das Herannahen der immer lauter
werdenden Naziparolen, das Dröhnen des Gleichschritts, die Ängste
und die Verwirrung des kleinen Jungen, der Durlacher damals war. Wir
wandern auf seinen Spuren in Baden-Baden, fragen uns, wo die einzelnen Schauplätze
waren, tauchen ein in seinen Alltag, der immer bedrohlicher wird.
Und
schon sind wir mitten drin in der Diskussion! Hat Deutschland eine
Kollektivschuld? Wie sind wir Jahrzehnt um Jahrzehnt nach dem Krieg
mit dem Thema umgegangen? Manche erinnern sich noch zu gut an hitzige
Gespräche und Gefühlsausbrüche am Familientisch, manche erinnern
sich ans Gegenteil, an das bedrückte (Ver-)Schweigen beim Abendbrot.
Immer
wieder schweifen die Gespräche vom Büchlein selbst ab, bleiben aber
doch eng am Thema. Wie es eben sein soll, wenn Baden-Baden dieses
Buch diskutiert.
Und
was für eine schöne Geste der Gastgeberin und Diskussionsleiterin
zum Schluss des Abends, als sie das Buch noch einmal aufschlägt und
die Passage über die Geburtstagsfeier vorträgt: „Für mich hat
sie eine flache Schachtel mit wolligen Kätzchen auf dem Deckel
mitgebracht. Im weiten Satinbett liegt eine lange Reihe Katzenzungen
aus Schokolade, zu schön um sie zu essen“.
Und siehe da, es gibt sie auch heute noch!
Wenn
Sie nun Lust bekommen haben, ebenfalls über dieses Buch zu
diskutieren und/oder mehr über die stadtweite „Mitmach-Aktion“
zu erfahren – wir kommen gerne vorbei und erklären das Programm
und geben auch gerne Hintergrundberichte über das Entstehen der Idee
bis hin zu dem, was ist und noch werden soll. Oder schicken uns einen
kleinen Bericht über Ihre ganz persönliche Reaktion auf das Buch oder
ein Erlebnis mit dem Buch. Wir freuen uns über jede Kontaktaufnahme.
Wenn Sie Ihre eigenen Fluchterlebnisse oder die Ihrer Eltern/Großeltern aufschreiben wollen, dann nehmen Sie bitte ebenfalls Kontakt mit uns auf: Hierfür ist vor allem Petra Mallwitz zuständig, die zusammen mit weiteren Mitgliedern des Arbeitskreises Stolpersteine verschiedene Schreibworkshops anbietet. Näheres hier => KLICK
Gerne erklärt sie Ihnen, um was es geht und hilft Ihnen, den richtigen Ansatzpunkt zu finden. Rufen Sie sie an! Die Telefonnummer von Petra Mallwitz ist: 0171 7045341.
Wenn Sie Ihre eigenen Fluchterlebnisse oder die Ihrer Eltern/Großeltern aufschreiben wollen, dann nehmen Sie bitte ebenfalls Kontakt mit uns auf: Hierfür ist vor allem Petra Mallwitz zuständig, die zusammen mit weiteren Mitgliedern des Arbeitskreises Stolpersteine verschiedene Schreibworkshops anbietet. Näheres hier => KLICK
Gerne erklärt sie Ihnen, um was es geht und hilft Ihnen, den richtigen Ansatzpunkt zu finden. Rufen Sie sie an! Die Telefonnummer von Petra Mallwitz ist: 0171 7045341.